DAS HOSPITALSTRAßE 46 ALPHABET


G wie Gedenkstätte

Das Nachkriegsdeutschland tat sich schwer mit einem Bekenntnis und einer Aufarbeitung der ungeheuren Schuld durch die nationalsozialistischen Verbrechen. Verschweigen, Verdrängen, Abstreiten waren an der Tagesordnung, NS-Verbrecher wurden gedeckt oder reflektionslos integriert, in vielen Bereichen versagte die Justiz, war nachsichtig oder pflegte eine verdrängte Komplizenschaft. Auch Lippstadt machte hier keine Ausnahme!  Mit NS-Terror in der Zivilgemeinde, einem „wilden“ Konzentrationslager bereits 1933, tausenden Zwangsarbeitern im Krieg, zwei KZ-Außenlagern und einer Judenpogrom-Geschichte trägt die Stadt ein unrühmliches Erbe dieser braunen Zeit. Und hier ist auch die Hospitalstraße eine Adresse!

GedenktafelNeben dem kriegswirtschaftlich organisierten Einsatz von Zwangsarbeiter*innen (93 Lippstädter Betriebe und Haushalte hatten russische Zwangsarbeiter!) steht die Hospitalstraße 46 für einen Außenlagerstandort des KZ Buchenwald, das Arbeitskommando Lippstadt II.

Bei der WMI arbeiteten bis 1945 mehr als 1800 Zwangsarbeiter*innen aus sechs Nationen, die Mehrzahl waren russische Staatsangehörige. Wie viele davon in der Hospitalstraße arbeiteten ist unbekannt. Von November 1944 bis März 1945 wurde dann die Hospitalstraße 46 KZ! Von Stacheldraht eingezäunt, bewacht durch neun SS-Wachmänner und sechs Aufseherinnen, schufteten hier über 330 jüdische weibliche KZ-Häftlinge unter erbärmlichsten Bedingungen um ihr Leben. Krankheit oder Schwäche führten zur Rückverlegung in das Stammlager und zum sicheren Tod. Die Häftlinge arbeiteten und „wohnten“ überwiegend im südwestlichen Fabrikgebäude, durften dieses nicht verlassen und waren von den übrigen Arbeitsbereichen getrennt. Auch Kontakte zur Zivilbevölkerung des umliegenden Wohnquartiers wurden weitgehend unterbunden. Erst der Todesmarsch in Richtung Osten kurz vor Kriegsende war nicht zu übersehen! Die direkte Nachkriegssituation in den Gebäuden der Hospitalstraße 46 ab April 1945 ist unübersichtlich, bisher wenig dokumentiert oder erforscht! Jedenfalls kriegsbedingtes „Elend“ sahen die Gebäude auch nach der Befreiung durch die Amerikaner! Die Lippstädter Bevölkerung und die WMI zeigten kein großes Interesse, hier dokumentierte Klarheit zu dieser problematischen Zeit zu schaffen. Burkhard Beyer, der sich intensiv mit der Zwangs- und Häftlingsarbeit in der Hospitalstraße beschäftigte (Spurenband des Heimatbund 1993) schreibt zu seinen Recherchen in der Hospitalstraße bzw. zur Anwohnerschaft: „Leider hält sich das Interesse an den Vorgängen auch 1993 noch bis auf wenige erfreuliche Ausnahmen in recht engen Grenzen.“  Ein Gedenken an diesen Ort schändlicher Lippstädter Geschichte kam spät und ist in der breiten Bevölkerung bis heute nicht allgemein präsent. Eine erste Gedenktafel wurde 1995 angebracht, Anfang 2007 gestohlen und erst 2015 durch die oben abgebildete ersetzt.

Der Heimatbund Lippstadt setzt sich aktiv dafür ein, dass im Zuge der städtischen Nutzungsüberlegungen des Gebäudeensembles die Geschichte dieser Gebäude berücksichtigt und den Opfern hier Würde erwiesen wird. Gerade bei den jetzigen gesellschaftlichen Entwicklungen einer zunehmenden Geschichtsvergessenheit besteht öffentliche Notwendigkeit, eine bildungsfördernde Gedenkstätte einzuplanen! Die Hospitalstraße 46 ist auch als Gedenkstätte geschichtswichtig!