DAS HOSPITALSTRAßE 46 ALPHABET


D wie Dampfmaschine

Gasmotor Ende des 19. JahrhundertsEine Maschine, die Dampfdruck und Rückstoßbewegung nutzte, beschrieb bereits Hero von Alexandria vor mehr als 2000 Jahren. Aber erst mit einer praktischen Nutzung des Verfahrens als „Dampfpumpe“ durch den Engländers Thomas Savery 1699 entstand daraus eine Schlüsselerfindung der industriellen Revolution. Einhundertfünfzig Jahre später, 1849/50, kam auch in Lippstadt eine Dampfmaschine zum Einsatz, wurde aber wegen Funktionsmängel schon 1852 wieder verkauft. Erst fast 10 Jahre später, ab 1861, nutzte der Schwermetall-Großbetrieb der Westfälischen Union wieder Dampfmaschinen als Antriebstechnik in der Eisenverarbeitung. Bis zur Jahrhundertwende erteilte die Stadt 74 Konzessionen zum Dampfmaschinenbetrieb an Lippstädter Unternehmen.

Und in der Hospitalstraße 46? Hier stand erst einmal keine klassische Dampfmaschine, sondern ab 1895 arbeitete dort ein damals relativ moderner Gasmotor! Sally Windmüller nutzte für die Drückbänke seiner Blechdrückerei und als Antrieb für einen Stromgenerator diesen schwächeren, aber ökonomisch besser an die damalige Firmengröße angepassten kleinen Bruder der Dampfmaschine. Der Motor, der nach dem von August Otto patentierten Hubkolbenprinzip arbeitete, konnte Stadtgas (Leuchtgas) als Kraftstoff verwenden. Lippstadt besaß seit 1863 am Ostwall ein städtisches Gaswerk für die Gas-Straßenbeleuchtung und konnte somit Leuchtgas für den Betrieb in der Hospitalstraße liefern.

Lokomobil im Museum Blankenhain (Foto von André Karwath)
Der Gasmotorbereich in der Fabrikhalle schien nicht „ungefährlich“ gewesen zu sein. Die Fabrikordnung von 1896 betonte deshalb im § 6: „Der Aufenthalt in dem umzäumten Raume wo Gasmotor und Dynamomaschine untergebracht sind, ist allen, außer den mit der Behandlung derselben beauftragten Arbeitern, strengstens verboten.“  Mit den zwei PS, die der Gasmotor lieferte, damit Transmissionen antrieb und über einen Generator Strom erzeugte, war anscheinend 1898 eine Kapazitätsgrenze erreicht. Es wurde ein 25 PS starkes „Lokomobil“ angeschafft, stationär genutzt und damit dann das „Dampfkesselprinzip“ als Kraftmaschine in der Hospitalstraße installiert. Nachdem die Firma weiter expandierte, musste die gesamte Energieseite ausgebaut werden: 1899, die WMI Aktiengesellschaft war gegründet, wurde ein neues Kessel / Maschinen-haus gebaut und eine neue Dampfkesselmaschinerie installiert, 1904 erfolgte die Erweiterung um einen „zweiten“ leistungsstärkeren Dampfkessel. Dieses Kesselhaus mit Pultdach hat die Zeiten weitgehend überstanden und bildet noch heute einen faszinierenden Teil des alten WMI-Gebäudeensembles! Im großen Stil entstand dann mit dem Betriebsumzug in das neue Werk in der Lüningstraße eine für die damalige Zeit fortschrittliche Energie- und Antriebstechnik: Eine bis 280 PS starke Dampfmaschine der Fa. Möller Brackwede erzeugte dort über einen Drehstromdynamo von Siemens-Halske Berlin die elektrische Energie für Beleuchtung und Elektromotoren der Transmissionen in den Produktionshallen. An der Entwicklung der WMI in der Hospitalstraße kann man den technischen Fortschritt im Energiebereich von der ersten kleinen Hubkolben-Gasmaschine über die Verwendung eines Lokomobils bis zum modernen Dampfkessel verfolgen: Technische Geschichte pur!