(Fortsetzung des Beitrags in Mitteilungen Nr. 20 vom Nov. 2010)
Der mittlere, älteste Bauteil war bis 1958 durch einen kreuzförmigen Flur in vier Teile unterteilt. Eine Zeichnung von Marie Steinbecker zeigt einen Blick nach Norden. Rechts ist noch der 1958 verkleinerte Kamin zu sehen, im hinteren Teil die heutige, ursprünglich für die Dienstboten errichtete Treppe und links daneben befindet sich noch ein Raum, der inzwischen dem Foyer zugeschlagen wurde.
Die Bel Etage wurde 1770 vollständig umgestaltet. Lediglich eine ältere Querwand, die zur Aussteifung des Gefüges notwendig war, blieb erhalten und weist noch heute auf die Dreiteilung des Hauses hin. Alle anderen Wände wurden erst 1770 errichtet, um die heutige Raumgliederung zu schaffen.
Die Räume im nördlichen und mittleren Teil der Bel Etage wurden 1770 mit aufwendigen Stuckdecken versehen, die wohl als Werkstattarbeit der Gebrüder Metz aus Attendorn anzusehen sind, die nach 1767 die Jesuitenkirche in Büren ausgestattet haben. Das aufwendige Programm der Decken weist zwar auf einen künstlerisch versierten Stuckateur hin, die Ausführung ist jedoch im Vergleich zum Stuck der Bürener Jesuitenkirche weitaus weniger filigran und somit wohl nicht vom Meister selbst ausgeführt worden. Der Stuck in den Repräsentationsräumen des mittleren und nördlichen Bauteils weist eine einheitliche Formensprache auf. Alle Räume zeigen ein aufwendig gestaltetes Mittelfeld mit fast vollplastischen Rocaillen und Blüten- oder Blattranken. Die umlaufenden Stuckprofile sind je nach der Größe der Räume an den Ecken oder zusätzlich in der Mitte der Längswände unterbrochen. Sie gehen in fließenden Übergängen in vollplastische Ranken und Rocaillenfelder über. Dies zeigt deutlich den Formwillen des Rokoko mit der Auflösung der strengeren geometrischen Form in naturalistisch überhöhtes Rankenwerk.
Im Gegensatz zu den gleichartigen Decken im mittleren und nördlichen Teil der Bel Etage zeigt die Decke im südwestlichen Raum ein leicht verändertes Formempfinden. Hier sind die Ranken nicht länger vollplastisch, sondern flacher an die Decke stuckiert. Außerdem lösen sich hier die Profilrahmen der Decke und der so im übrigen Haus nicht zu findenden Medaillons nicht mehr in Rankenwerk auf, sondern bilden geschlossene Formen, die lediglich von wenigen Ranken überformt werden.
Diese Form der Deckenstuckierung weist schon deutlich in eine spätere Zeit, das Biedermeier. Möglicherweise ist diese Decke erst beim Umbau nach 1828 stuckiert worden, in der auch die übrigen Decken des südlichen Bauteils ihre Stuckprofile erhielten.
Durch die vollständige Umgestaltung des Obergeschosses zu Repräsentationsräumen entstand 1770 offensichtlich die Notwendigkeit, zusätzlichen Lagerraum zu schaffen. So wurde nach der Verlängerung des Hauses nach Süden dem Gebäude ein flacheres Speichergeschoss aufgesetzt. Wie eine dendrochronologische Probe zeigte, wurde das gesamte Geschoss ab 1828 vollständig umgebaut. Erst zu diesem Zeitpunkt entstanden die heutigen Trennwände, die alle nur auf die Deckenbalken über den Stuckdecken des Obergeschosses aufgestellt wurden und in keinem Bezug zur Raumstruktur des unteren Geschosses stehen. Aus Teilen anderer Treppen wurde die heutige einläufige Treppe eingebaut. Bauherr war Arnold Meuser, der das Haus 1799 von den Erben Roses erworben hatte und es nun dem Zeitgeschmack des frühen 19. Jahrhunderts anpasste.
Wie die aufwendigeren Stuckprofile an den Decken der Räume im nördlichen Teil zeigen, wurden hier Wohnräume gehobenen Standards eingebaut. Die Räume im mittleren und südlichen Teil wurden zwar auch verputzt, aber nur mit einfachen Stuckvouten versehen und dienten wohl als einfachere Wohnräume möglicherweise für Dienstboten. Alle Flure erhielten eine farbige Fassung in Form unterschiedlich aufwendig gestalteter Rahmen und Begleitstriche, die fast vollständig unter dem heutigen Putz erhalten blieben.
Das Dachwerk besteht aus 16 Vollgespärren mit einer ungewöhnlichen Zählung des Abbundes (Jedes Gespärre erhält auf dem Abbundplatz eine Zahl, damit der Zimmermann weiß, welche Hölzer wohin kommen sollen). So sind alle Balken mit einer Zählung versehen, die am nördlichen Giebel mit I beginnt und an einem Versprung, der den Beginn des südlichen Anbaus markiert, mit X aufhört. Südlich davon beginnt die Zählung neu mit I und endet am südlichen Giebel mit IIII. Trotz dieser Unterschiede in Abbund und Verzimmerung brachte eine dendrochronologische Untersuchung die Erkenntnis, dass das gesamte Dachwerk in einer Bauphase wohl 1769/70 errichtet worden ist.
Die Räucherkammer und die Treppen zum Dachraum und Spitzboden wurden beim Umbau des zweiten Obergeschosses 1828 hier eingebaut. Zu dieser Zeit sind wahrscheinlich auch die Halbwalme entstanden, die auf dem 1776 von Roscher gezeichneten Plan, der das Haus kurz nach der durchgreifenden Renovierung 1770 zeigt, noch nicht vorhanden sind.
Zwar sind noch immer einige Fragen offen, die während eines möglichen Umbaus noch geklärt werden können. Es hat sich jedoch gezeigt, dass das Palais Rose fast vollständig ein Repräsentationsbau des ausgehenden 18. Jahrhunderts mit kleineren Veränderungen aus dem 19. Jahrhundert ist. Die technischen Probleme zu schildern, die diese Umbauten noch heute verursachen, würde den Rahmen sprengen und wird an anderem Ort ausführlich geschehen.
„War Bernhard wirklich der Stadtgründer?", „Sollen wir das Denkmal sprengen?" Mit diesen provokanten Fragen zitierte „Der Patriot" am 14. März 2008 Prof Dr. Jutta Prieur-Pohl, die Herausgeberin eines kurz vorher erschienenen Tagungsbands („Lippe und Livland") mit Forschungsbeiträgen zu den Anfängen des Herrschergeschlechts der Lipper.
Ein „Tabubruch" - oder nicht? Jedenfalls liefert in diesem immer noch hochaktuellen Forschungsband der Herausgeber der zur 800-Jahrfeier Lippstadts 1985 erschienenen Stadtgeschichte, Dr. Wilfried Ehbrecht, mit seinem Beitrag gute Argumente gegen den uns lieb gewordenen Mythos von Lippstadt als ältester Gründungsstadt Westfalens. Auch die Idee von dem Lippstädter Stadtrecht als einem weithin ausstrahlenden Modell für stadtbürgerliche Freiheit sei nicht zu halten. Die Lippstädter müssten sich generell von der Vorstellung eines „Gründungsakts" durch Bernhard II. verabschieden.
Ehbrechts Forschungsanstoß wird der Lippstädter Hermann Großevollmer, Oberstudienrat am Gymnasium St. Xaver in Bad Driburg, in seinem Vortrag am 4.11.2011, 19:00 Uhr im Rathaussaal aufgreifen und nachweisen, dass die lateinische Versvita Bernhards II., „Lippiflorium" genannt und unter der Autorschaft eines in Urkunden des 13. Jahrhunderts erwähnten magister justinus überliefert, immer schon der Dreh- und Angelpunkt unterschiedlichster Auffassungen über die Frühgeschichte Lippstadts war. Das „Lippiflorium" gilt bis dato als mittelalterliche und damit älteste selbstständige Geschichtsschreibung zum Haus Lippe und wird wie ein Steinbruch passagenweise als authentische zeitgenössische Geschichtsquelle ausgewertet.
Erst neuerdings ziehen die meisten Geschichtswissenschaftler seine Glaubwürdigkeit aufgrund überwiegend textexterner Beobachtungen in Zweifel. In seiner Gesamtheit ist das Werk hingegen bisher noch nie mit modernen literatur- und geschichtswissenschaftlichen Methoden interpretiert worden. Hier nun setzt Großevollmer an. Ausgangspunkt seiner Untersuchung ist die Frage nach der „Gebrauchssituation" der „Lippiflorium"-Überlieferung.
Im Rahmen einer Leinwandpräsentation wird der Referent die Lebensbeschreibung Bernhards und die darin enthaltene Erzählung von der Gründung Lippstadts als Legende darstellen und ihre Wirkungsgeschichte bis in die Gegenwart erörtern.
Nicht zum ersten Mal wurde das Stadtmuseum Gegenstand einer historischen Betrachtung. Schon zu Beginn der 1980er Jahre hatte der damalige Museumsleiter Herr Becker die wenigen historischen Quellen zum Haus selbst zusammengetragen und versucht, aus diesen im Zusammenhang mit der allgemeinen Stadtgeschichte eine Geschichte des Hauses zu entwickeln. Diese Ausführungen bildeten die Grundlage der neuen bauhistorischen Untersuchung, die zudem noch Fotos der freigelegten Fachwerkfassaden aus dem Jahre 1958 auswertete und verschiedene Balken dendrochronologisch datierte. Darüber hinaus wurden an verschiedenen Stellen im Haus Öffnungen in den Wänden angelegt, mit deren Hilfe die Zusammensetzung des Hauses (das Gefüge) geklärt wurde. Zusammen mit Grundrissen, die die Raumstruktur des Hauses vor dem großen Umbau 1958 zeigten, konnte die Baugeschichte des Hauses weitgehend geklärt werden.
Bisheriger Forschungsstand / Besitzgeschichte
Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Vorgängerbau des heutigen Hauses wie alle anderen Gebäude im Stiftshofen beim großen Stadtbrand 1656 untergegangen ist, um bald danach durch einen Neubau, der zu großen Teilen noch heute vorhanden sein sollte, ersetzt zu werden. Zwar ist in diesem Teil der Stadt fast sicher von einer Bebauung seit dem ausgehenden Mittelalter sowie kurzfristiger Schließung der Brandlücken nach 1656 auszugehen, ob diese jedoch, was die genaue Lokalisierung und Besitzgeschichte betrifft, in einem Zusammenhang mit dem heutigen Gebäude steht, ist zumindest zweifelhaft.
Die Auswertung der Ansichten des freigelegten Fachwerks ergab, dass das Haus im Erd- und Obergeschoss aus drei unterschiedlich alten Bauzusammenhängen besteht. In der Mitte ist das Fachwerk stockwerkweise verzimmert und bildet den ältesten Baubestand des Hauses, der jedoch im Obergeschoss bei der Neuausstattung im Rokokostil weitgehend verändert wurde. Nur die beiden Außenwände im Osten und Westen zeigen noch diesen ursprünglichen, recht kleinen Baukörper an, der wohl noch im 17. Jahrhundert entstanden ist. Nördlich an diesen mittleren Teil schließt ein Bauteil an, der ungefähr den Bereich des Jahreszeitensaales umfasst. In Ständerbauweise errichtet, wurde er an den mittleren Bauteil angeschlossen. Man kann also mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass dem ursprünglichen Kernbau (wohl noch 17. Jh.) vor der Mitte des 18. Jahrhunderts eine nördliche Erweiterung hinzugefügt wurde. Beide Bauteile zusammen ergeben jedoch ein im Vergleich mit der übrigen Bebauung der Rathausstraße recht kleinen Bau. Es ist daher die Frage, ob die wohlhabende Familie Rose im frühen 18. Jahrhundert überhaupt in diesem Haus gelebt hat, dessen Eigentümer sie sicher war.
Der dritte Fassadenteil schließt über eine auf den Fotos noch deutlich zu erkennende Baunaht im Süden an den mittleren Teil an. Der zweigeschossig in Stockwerkbauweise errichtete Bauteil gehört in die große Umbauphase der Zeit um 1770. In diesem Teil lässt sich das hohe, repräsentative Obergeschoss direkt an der Fachwerkstruktur ablesen. Offensichtlich reichte der Raum, den man beim Umbau zu Repräsentationsräumen im Obergeschoss erhalten hatte, nicht aus und man ließ das Gebäude bis zur Straße verlängern. Zeitgleich mit der Verlängerung wurde auch das zweite Geschoss als Speicherstock aufgesetzt. Nachdem das Haus so seine heutige Größe erhalten hatte, wurde der gesamte Bau verputzt.
Nach den Auswertungen der dendrochronologischen Untersuchungen steht fest, dass das Gebäude unter Verwendung stark veränderter älterer Bauteile weitgehend im Jahre 1770 errichtet wurde. Das heißt, dass anders als bisher vermutet der Bau erst nach dem Siebenjährigen Krieg in heutiger Größe entstand. Eine der Kriegsfolgen könnte jedoch dazu beigetragen haben, dass das Haus seine für bürgerliche Bauten in Lippstadt ungewöhnliche Opulenz erhielt. Im Jahre 1764 ordnete die preußische Regierung die Schleifung der umfangreichen Lippstädter Festungsanlagen an. Die so im Umfeld der Stadt entstandenen Ländereien wurden zum größten Teil von Johann Conrad Rose erworben und in den folgenden Jahren an einzelne Investoren weiterveräußert. In Anbetracht der Größe der Festung muss dieses Geschäft einen gewaltigen Umfang erreicht haben. Nachdem Rose 1768 die Verkäufe abgeschlossen hatte, war er nicht mehr nur ein reicher Bürger, sondern wohl mit Abstand der reichste Lippstädter seiner Zeit. Daher beginnt er im Jahr nach Ende dieser geschäftlichen Aktivitäten mit dem aufwendigen Umbau seines Hauses zum größten Palais in der Stadt.
Das Innere des Hauses
Wie bei Gebäuden, die vor dem Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurden, in Lippstadt üblich, verfügte auch dieses Haus nicht über einen Keller im eigentlichen Sinne. Lediglich der Bereich der heutigen Gästetoiletten, der Garderobe und der Räume östlich der Küche war in zwei Stufen leicht eingetieft und wurde als Lagerraum genutzt.
Eine Zeichnung von Marie Steinbecker vom Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt noch den tiefsten Kellerraum unter den heutigen Besuchertoiletten. Mit dem Rücken zur Ostfassade stehend zeigt sie dem Betrachter einen Blick durch den Kellerraum. An der gegenüberliegenden Wand sieht man hier die Untersicht der heutigen Treppe zum ersten Obergeschoss.
Entsprechend der schon an den Traufseiten beschriebenen Dreiteilung des Hauses gliederte sich das Erdgeschoss bis zu den großen Umbauten nach 1958 in drei unterschiedlich gestaltete Bereiche. Der südliche, 1770 angefügte Bauteil zeigt eine dreischiffige Gliederung mit einem breiten, fast deelenartigen Flur, der zu beiden Seiten von jeweils zwei unterschiedlich großen Räumen flankiert wurde. Im hinteren Teil des Flures, im Anschluss an die Trennwand zum mittleren Bauteil, befand sich bis 1958 die Haupterschließung über eine zweiläufige Treppe, die an der östlichen Flurwand entlangführte und in einem schmalen Raum neben dem Kanonensaal endete. Diese Treppe wurde wahrscheinlich erst bei Umbauten in der Zeit um 1829 eingefügt. Zuvor befand sich eine breite barocke Treppe in den östlichen Räumen neben dem Flur. Möglicherweise war ihr Antritt im Flurbereich. Sie führte, wie Störungen im Decken- und Fußbodenaufbau bis heute zeigen, in den südöstlichen Raum des ersten Obergeschosses, der erst später unterteilt wurde und bis 1828 einen repräsentativen Treppenraum bildete.
(Fortsetzung im nächsten Heft)